Ein halbes Schuljahr mit Erasmus+ in Norwegen

Sonja Schleypen berichtet

Ein Moment, den ich wohl nie in meinem Leben vergessen werde. Nicht in 10, nicht in 50 und auch nicht in 80 Jahren. Ein Gefühl das ich so nie wieder fühlen werde. Diese Nervosität, die durch meinen ganzen Körper strömte und diese unglaubliche Vorfreude, die sich einstellte, als ich meinen Koffer von der Gepäckablage nahm und die ersten Schritte aus dem Flughafen tat, kurz davor meine zweite Familie das erste Mal zu treffen. Genau in diesem Moment wurde mir klar: Hier würde mein neues Abenteuer beginnen – ein eigenes wunderschönes Kapitel in meinem Leben, das ohne Zweifel die beste Entscheidung meines Lebens war.

God dag, ich bin Sonja, sechzehn Jahre alt und habe mit Hilfe des Austauschprogramms Erasmus+ acht Monate in Norwegen gelebt. Ich habe auf einer typischen norwegischen Farm in der kleinen Stadt Mysen, die südöstlich von Oslo liegt, mit einer zweiten Familie gewohnt, mir dort ein eigenes Leben aufgebaut und natürlich täglich die Schule besucht.

Wenn ich ehrlich bin, ist es ziemlich schwierig, acht Monate irgendwie in einem Artikel zusammenzufassen. Ich könnte über so viel schreiben, dass man es definitiv nicht in ein Buch schreiben könnte und schon gar nicht auf diese kleine Seite im Jahresbericht. Die Schule, meine Familie, neue Situationen, Dinge, die ich gelernt habe, meine Gefühle, der Lebensstil, das Essen, die Sprache, die Ideale, der durchschnittliche norwegische Mensch, die Mentalität und so viel mehr. In diesem Artikel werde ich mich aber auf ein paar Fakten konzentrieren. Eins kann ich euch jedoch gleich sagen – Norwegen ist absolut nicht wie ihr es euch vorstellt. Schon am Anfang meines Auslandjahres habe ich gemerkt, wie anders Norwegen im Vergleich zu Deutschland ist und wie anders ich es mir vorgestellt hatte. Angefangen mit der Schule. Ich besuchte in einer relativ großen Schule (Mysen vidergående skole) die elfte Klasse und ich muss sagen, dass die Schulen in Norwegen sich mehr auf das Erlernen der Selbstständigkeit fokussieren. Kommst du 20 Minuten zu spät, ist es deine Schuld. Du hast den Unterricht verpasst und wirst in den Prüfungen Probleme bekommen. Machst du die Aufgaben im Unterricht nicht und schaust die ganze Stunde TikTok, ist es deine eigene Schuld, keine Übung zu haben und verschwindest du während der Stunde, musst du selbst schauen den Stoff nachzulernen. Die Schülerinnen und Schüler waren an wenige Regeln gebunden, vieles wurde lockerer gesehen und der Alltag war nicht so streng wie zu Beispiel hier in Deutschland. Die Lehrkräfte wurden mit Du und dem Vornamen angesprochen und es gab deutlich mehr Freiarbeit und Gruppenarbeit als in Deutschland. Die Wahl der Fächer ab der zwölften Klasse bereitet den Schülerinnen und Schülern unglaublich viele Möglichkeiten. So gibt es zum Beispiel Zweige wie Medien und Film, Medizin, Musik sowie das „normale“ Abitur, so wie wir es haben. Während der Zeit der Abiturprüfungen haben die Schülerinnen und Schüler eine Tradition, in Kleingruppen in Bussen herumzufahren und Party zu machen, die sogenannte „russetid“, die bis zum 17. Mai dauert, dem norwegischen Nationalfeiertag. Norwegische Menschen sind sehr stolz auf ihr Land, was ich jeden Tag miterlebt habe. So bewerben sich zum Beispiel fast alle Abiturientinnen und Abiturienten beim Militär, was in Deutschland unvorstellbar wäre. Es ist aber fast unmöglich einen Platz zu bekommen, denn nur die Besten der Besten kommen hinein. Mein 18-jähriger Gastbruder hat zum Beispiel dieses Jahr Abitur gemacht und mir daher in diese Zeit Einblicke gewährt. In meiner Gastfamilie, die aus meinen Gasteltern und drei großen Gastbrüdern besteht, habe ich mich unglaublich wohl gefühlt und wir haben viele Ausflüge gemacht, zum Beispiel auch nach Nordnorwegen oder zum Skifahren. Fast alle Familien in Norwegen besitzen zusätzlich ein zweites Haus an der Küste, im Wald oder im Gebirge, das sie manchmal vermieten, aber meistens für Wochenendtrips mit der Familie oder Freunden benutzen. Deshalb ist es fast normal mit den Freunden am Freitag loszufahren und bis Sonntag zusammenzuwohnen. Freundschaften in Norwegen sind ein bisschen anders als hier in Deutschland, so hat man immer feste Freundesgruppen, mit denen man alles macht und die sich auch fast nie vermischen. Außerdem gibt es relativ wenige Freundschaften zwischen Jungs und Mädchen und Umarmungen werden als eher selten gesehen. Jedoch sind die Freundschaften in Norwegen trotzdem sehr eng und ich habe sehr viele gute Freundschaften geschlossen, die ich mir nicht mehr aus meinem Leben wegdenken kann.

Klar, bei einem Auslandsjahr gibt es viele Herausforderungen und Probleme, die man meistern muss, jedoch würde ich es jedem einzelnen empfehlen, eins zu machen. Man lernt unglaublich viel über sich selbst und wird danach, so wie ich sagen, dass es die beste Entscheidung des Lebens war.